Zustellungen sind verfahrensrechtlich von hoher Bedeutung. Sie weisen eine erfolgte Übergabe von Schriftstücken nach und sind Voraussetzung mitunter für Vollstreckungen, Fristauslösungen sowie Verjährungshemmungen. Da sich das spanische Verfahrensrecht von der deutschen ZPO sowie von dem Verfahrensrecht anderer EU-Mitgliedstaaten unterscheidet, ist fraglich, wie im Falle grenzübergreifender Zivilrechtsverhältnisse vorzugehen ist, die mithin eine grenzüberschreitende Zustellung von Schriftstücken erforderlich machen. Grenzüberschreitende Zustellungen in Handels- und Zivilsachen im EU-Raum richten sich nach den Regelungen einer EG-Zustellungsverordnung des Europäischen Parlamentes und Rates vom 13. November 2007 (VO-EG Nr. 1393/2007), im Folgenden EuZVO genannt.
Zustellungen von Deutschland nach Spanien
Zustellungen von Deutschland nach Spanien mittels Übermittlungs- und Empfangsstellen
Gemäß Art. 3 Abs. 1, 2 EuZVO muss jeder EU-Mitgliedstaat eine Übermittlungsstelle benennen, die für die Übermittlung von grenzüberschreitend zuzustellenden Schriftstücken sowie eine Empfangsstelle, die für den Empfang selbiger zuständig ist.
In Deutschland ist die zuständige Übermittlungsstelle gerichtlicher Schriftstücke das für das Verfahren auch zuständige Gericht (§ 1069 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Soll ein gerichtliches Schriftstück also grenzüberschreitend von Deutschland nach Spanien zugestellt werden (beispielsweise, weil eine Person mit Wohnsitz in Spanien in Deutschland verklagt wird), hat das für das Verfahren zuständige deutsche Gericht das Schriftstück nach den Vorschriften der besagten Zustellungsverordnung an die in Spanien zuständige Empfangsstelle zu übermitteln.
Empfangsstelle für sowohl gerichtliche als auch außergerichtliche Schriftstücke sind in Spanien die Sekretariate der oberen Gerichte (Secretarios Judiciales de los Juzgados Decanos). Diese bestätigen den Erhalt des durch die Übermittlungsstelle übermittelten Schriftstückes und stellen es anschließend nach spanischem Verfahrensrecht dem Verklagten zu. Ist die Zustellung erfolgreich, so bescheinigt sie dies dem deutschen Gericht in deutscher oder englischer Sprache.
Zustellung von außergerichtlichen Schriftstücken
Geht es indessen darum ein außergerichtliches Schriftstück nach Spanien zuzustellen, kann auch dies über Übermittlungs- und Empfangsstellen vorgenommen werden (Art. 16 EuZVO). Wobei dieser Weg dann nicht mehr zwingend ist und das außergerichtliche Schriftstück alternativ auch nach dem innerstaatlichen Recht des Mitgliedstaates zugestellt werden kann. Mit außergerichtlichen Schriftstücken sind, laut Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes, neben solchen von Behörden und Amtspersonen, auch private Schriftstücke gemeint, also bspw. Mahnungen sowie Kündigungs- und Aufrechnungserklärungen, sofern sie zur Geltendmachung, zum Beweis oder zur Wahrung eines Rechts oder Anspruches (…) erforderlich sind (EuGH, 11.11.2015). Zuständige Übermittlungsstelle in Deutschland ist in diesem Fall das Amtsgericht im (Wohn-)Sitzbezirk der zustellenden Person und bei notariellen Urkunden das im Amtssitzbezirk des beurkundenden Notars (vgl. § 1069 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
Direktzustellungen von Deutschland nach Spanien
Die Art. 13 bis 15 EuZVO billigen den Mitgliedstaaten zu, gerichtliche Schriftstücke auch direkt zustellen zu lassen. Wobei diese Vorschriften nur fakultativ gelten, mit der Folge, dass das Unionsrecht hier keinen Anwendungsvorrang vor dem nationalen Recht genießt. Steht also das nationale Recht im Widerspruch zum Inhalt dieser drei Artikel, gilt das innerstaatliche Recht des jeweiligen Mitgliedstaates und nicht EU-Recht.
Art. 13 stellt den Mitgliedstaaten frei, gerichtliche Schriftstücke durch diplomatische oder konsularische Vertretungen in ihr Land zustellen zu lassen. Art. 14 lässt zudem zu, dass Personen kraft Postdienste per Einschreiben und Rückschein zustellen können. Und Artikel 15 EuZVO erlaubt jedem Beteiligten eines gerichtlichen Verfahrens, das Schriftstück durch Amtspersonen, Beamte oder sonstige Personen unmittelbar zustellen zu lassen.
Eine grenzüberschreitende Direktzustellung nach Spanien mittels diplomatischer oder konsularischer Vertretungen i.S.d. Art. 13 EuZVO ist in der spanischen Rechtsordnung nicht vorgesehen und folglich unzulässig. Eine Ausnahme besteht gleichwohl, wenn der Empfänger des zugestellten Schriftstückes Staatsangehöriger des Übermittlungsstaates ist; dann dürfen die Mitgliedstaaten eine Zustellung auf diplomatischem bzw. konsularischem Wege laut Art. 13 Abs. 2 EuZVO nicht verbieten.
Eine Zustellung per Postdienste mit Einschreiben und Rückschein i.S.v Art. 14 EuZVO ist nach Spanien möglich. Vorsicht ist dennoch geboten, wenn das spanische Gesetz die Formerfordernis der Fehaciencia (Verbindlichkeit) vorschreibt, wonach nicht nur die Zustellung, sondern auch der Inhalt des Schriftstückes nachgewiesen werden muss, was bei einer Postzustellung mit Einschreiben und Rückschein, so die Rechtsprechung des spanischen Obersten Gerichtes (Tribunal Supremo), nicht gewahrt sei (TS 17.07.09).
Eine Direktzustellung eines Verfahrensbeteiligten nach Spanien durch Amtspersonen oder Beamte ist unrechtmäßig. Spanien hat in seiner Mitteilung an die Europäische Kommission festgestellt, dass diese Form der unmittelbaren Zustellung in dessen Rechtsordnung nicht möglich ist.
Besonderheit: Versäumnisurteil
Ein in Deutschland ergangenes Versäumnisurteil hat Spanien nach der Brüssel I-Verordnung (EG-VO Nr. 44/2001) prinzipiell anzuerkennen und, wenn erforderlich, zu vollstrecken. In der Praxis wird von gegnerischen Anwälten versucht, zu argumentieren, dass die Klageschrift der säumigen Partei nicht nachweislich rechtmäßig zugestellt wurde und diese unter Umständen keine Möglichkeit zu einem rechtlichen Gehör hatte. Neben dem reinen Säumnisurteil ist daher zu dokumentieren, dass Zustellungsversuche von Amtswegen in ausreichender Form vorgenommen wurden.
Zustellungen von Spanien nach Deutschland
Zustellungen von Spanien nach Deutschland mittels Übermittlungs- und Empfangsstellen
Die EuZVO gilt für alle Mitgliedstaaten der EU gleichermaßen und somit ist der entgegengesetzte Sachverhalt (es soll also von Spanien nach Deutschland zugestellt werden) unverändert zu behandeln. In Spanien sind die Gerichtssekretariate (Secretarios Judiciales) Übermittlungsstellen für sowohl gerichtliche als auch außergerichtliche Schriftstücke (vgl. Art. 152.1 der Ley de Enjuiciamento Civil = spanische ZPO). Die deutsche Empfangsstelle ist dasjenige Amtsgericht, in dessen Bezirk das Schriftstück zugestellt werden soll (§ 1069 Abs. 2 ZPO).
Direktzustellungen von Spanien nach Deutschland
Direktzustellungen durch Postdienste sind in Deutschland laut § 1068 ZPO zulässig. Unmittelbare Zustellungen gerichtlicher Schriftstücke durch einen Beteiligten nach Art. 15 EuZVO sind in Deutschland gem. § 166 Abs. 2 ZPO dagegen nur in gesetzlich dafür vorgesehen Ausnahmefällen zugelassen, so zum Beispiel bei der Zustellung eines Vollstreckungstitels (vgl. § 750 ZPO). Es finden hierbei die §§ 191 ff. ZPO entsprechend Anwendung. Eine Zustellung mittels diplomatischer oder konsularischer Vertretungen ist in Deutschland nur dann erlaubt, wenn der Empfänger Staatsangehöriger des Übermittlungsstaates ist.
Übersetzungserfordernis und Zustellungskosten
Die Annahme der Zustellung kann verweigert werden bzw. innerhalb von einer Woche zurückgeschickt werden, wenn das Schriftstück nicht in der Amtssprache des Empfangsstaates verfasst bzw. nicht mit einer beglaubigten Übersetzung in diese Sprache versehen wurde. Das Schriftstück darf nur dann in der Amtssprache des Übermittlungsstaates verfasst sein, wenn der Empfänger diese verstehen kann (Art. 8 Abs. 1 EuZVO).
Gem. Art. 11 EuZVO darf der zustellende Mitgliedstaat keine Gebühren erheben. Der Empfangsstaat kann aber die Kosten von Auslagen geltend machen, die dadurch entstehen, dass bei der Zustellung eine Amtsperson mitwirkt oder, dass ein besonderes Verfahren der Zustellung gewählt wird. In Spanien ist dafür gegenwärtig kein Konkreter Betrag vorgesehen. In Deutschland beträgt dieser 20,50 Euro.
Raban Herder & Karl H. Lincke
Wenn Sie weitere Informationen benötigen,