PDF Zur Publikation in DAV Internationaler Rechtsverkehr
Mehr als dreißig Jahre wurde darum gerungen, eine einheitliche Rechtsform innerhalb Europas zu schaffen. Im Oktober 2001 hat der EU-Ministerrat zwei Rechtsakte erlassen, eine Verordnung, 2157/2001 EG ergänzende Richtlinie, 2001/86/EWG. Die Verordnung tritt am 8.10.2004 in Kraft. Aufgrund dieser beiden Rechtsakte ist es zukünftig möglich, dass Unternehmen mit Niederlassungen in mehreren Mitgliedstaaten unter weitgehend einheitlichen Regeln tätig werden können, wenn sie die Europäische Aktiengesellschaft, im folgenden SE genannt, gründen – SE.
Vorteile
Durch die Möglichkeit der Gründung einer SE sind viele Vorteile verbunden, so müssen nun keine zahlreichen Tochterfirmen in den Mitgliedsstaaten mehr gegründet werden, auf die stets das jeweilige nationale Recht Anwendung findet. Die einheitliche Rechtsstruktur ermöglicht nunmehr die Anwendung eines einheitlichen Rechts für alle beteiligten Gesellschaften sowie eine einheitliche Geschäftsführung. Dadurch werden insbesondere Rechts- und Verwaltungskosten gespart.
Durch die Möglichkeit, den Sitz in einen anderen Mitgliedsstaat verlegen zu können, ohne wie bisher zuvor die Gesellschaft auflösen und neu gründen zu müssen, wird eine bessere Möglichkeit, sich auf den Markt einzustellen und anzupassen, geboten.
Die Wettbewerbsfähigkeit wird durch die Flexibilität der SE gefördert.
Nachteile
Allerdings ist eine einheitliche Besteuerung nicht vorgesehen, so gelten hier nach wie vor die Vorschriften der einzelnen Staaten genauso wie das Doppelbesteuerungsabkommen.
Gründung der SE
Es gibt vier Arten, eine SE zu gründen:
- Durch Verschmelzung von mindestens zwei Aktiengesellschaften aus mindestens zwei verschiedenen Mitgliedsstaaten;
- Durch die Bildung einer Holding, wenn sie nach dem Recht eines Mitgliedstaates gegründet wird und ihren Sitz sowie ihre Hauptverwaltung in der Europäischen Gemeinschaft hat und in mindestens zwei verschiedenen Mitgliedsstaaten tätig ist;
- Durch Gründung von Tochtergesellschaften, deren Sitz sich in mindestens zwei verschiedenen Mitgliedsstaaten befindet;
- Durch Umwandlung einer Aktiengesellschaft, die seit zwei Jahren mindestens eine Tochtergesellschaft in einem Mitgliedstaat hat;
Statut der Europäischen Gesellschaft – SE-Statut
Mit dem Statut der Europäischen Aktiengesellschaft ist es also nunmehr möglich, auf der Grundlage gemeinsamen Rechts eine europäische Aktiengesellschaft zu gründen.
Das Statut besteht aus zwei Rechtsakten, der Verordnung, die in den Mitgliedstaaten direkt anwendbar ist und der Richtlinie, welche in den Mitgliedstaaten innerstaatlich umgesetzt werden muss.
Die SE unterliegt demnach der Verordnung und der SE-Satzung, die zu erlassen ist. Hilfsweise finden die Vorschriften des jeweiligen Sitzstaates der SE Anwendung. Darüber hinaus wird die SE in jedem Mitgliedstaat wie eine Aktiengesellschaft behandelt.
In der Verordnung ist die Gründung, die Verlegung und der Aufbau der SE geregelt. Die Satzung der SE stellt dabei die Gründungsurkunde dar.
Die SE besitzt Rechtspersönlichkeit, deren Kapital in Aktien zerlegt ist. Das Kapital muss mindestens 120.000 € betragen. Für den Erhalt und Änderungen ist jeweils das Recht des Mitgliedstaates anwendbar, in dem die SE ihren Sitz hat.
Die SE muss nicht an der Börse notiert sein, somit wird gewährleistet, dass auch GmbHs und Unternehmen mittlerer Größe eine SE gründen können. Die Festsetzung des Mindestkapitals auf 120.000 € ermöglicht ebenfalls geraden den kleineren mittelständischen Unternehmen die SE-Gründung.
Der Sitz der SE muss in dem Mitgliedstaat liegen, in dem sich auch die Hauptverwaltung der SE befindet. Dennoch kann der Sitz unter bestimmten Voraussetzungen verlegt werden.
Gründet sich eine SE, so muss der Zusatz „SE“ der Firma voran- oder nachgestellt werden.
Auch eine Eintragung in das Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft ist erforderlich. Hat die Offenlegung stattgefunden, so ist die Eintragung und auch die Löschung einer SE in dem Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft bekanntzumachen.
Darüber hinaus wird die SE in einem Register in dem Mitgliedstaat eingetragen, in dem sie ihren Sitz hat. Es ist dabei zu beachten, dass eine Eintragung der SE erst erfolgen kann, wenn über die Beteiligung der Arbeitnehmer entschieden wurde.
Die einzelnen Gründungsarten der SE
Die Gründung durch Verschmelzung
Die Gründung durch Verschmelzung kann einmal durch Aufnahme geschehen, das heißt eine oder mehrere Gesellschaften übertragen ihr gesamtes Aktiv- und Passivvermögen im Wege der Auflösung ohne Abwicklung auf eine andere Gesellschaft. Die übernehmende Gesellschaft gewährt dafür Aktien an die Aktionäre der übertragenden Gesellschaft und eine Zuzahlung in bar von einem Zehntel des Nennbetrages.
Die Gründung durch Verschmelzung kann auch durch die Gründung einer neuen Gesellschaft vollzogen werden. Hierbei übertragen die beteiligten Gesellschaften ihr gesamtes Aktiv- und Passivvermögen ebenfalls im Wege der Auflösung ohne Abwicklung auf die Gesellschaft, die neu gegründet werden soll. Hierfür gewährt die neu zu gründende Gesellschaft wie auch bei der Gründung durch Verschmelzung Aktien und eine Zuzahlung in bar, welche den Nennbetrag der Aktien nicht übersteigen darf.
Die Aktionäre der übertragenden Gesellschaften sind gleichzeitig die Aktionäre der neuen Gesellschaft. Mit der Verschmelzung erlischt die übertragende Gesellschaft und die übernehmende Gesellschaft nimmt die Form der SE an.
Bestehende Rechte und Verbindlichkeiten Dritter sowie eingebrachte Vermögens¬gegenstände gehen auf die neue Gesellschaft über.
Die Aufnahme von Gesellschaften sowie die Neugründung von Gesellschaften sind weitere Möglichkeiten der Verschmelzung.
Im ersten Fall bildet die aufnehmende Gesellschaft die neue SE, im zweiten die neu gegründete Gesellschaft.
Zur Verschmelzung ist die Erstellung eines Verschmelzungsplanes notwendig. Dies erfolgt durch die Leitungs- und Verwaltungsorgane der beteiligten Gesellschaften. Der Verschmelzungsplan muss die Mindestanforderungen, die in Art. 20 der Verordnung aufgeführt sind, enthalten.
Über die Eintragung in das Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft hinaus muss in jedem Mitgliedsstaat die Rechtsform, die Firma und der Sitz der verschmelzenden Gesellschaften veröffentlicht werden. Hierzu gehört auch das Register, bei dem die Urkunden hinterlegt worden sind.
Jede Gesellschaft, die an der Verschmelzung beteiligt ist, muss durch die zuständige Stelle eine Bescheinigung über die ordnungsgemäße Durchführung der Verschmelzung erhalten. Diese Bescheinigungen werden der zuständigen Behörde in dem Land, in dem die SE ihren zukünftigen Sitz haben wird, innerhalb von sechs Monaten vorgelegt.
Die Verschmelzung und die damit verbundene Gründung wird mit Eintragung wirksam.
Nach Eintragung der SE kann diese nicht mehr für nichtig erklärt werden, das Fehlen der Kontrolle über das rechtmäßige Zustandekommen der SE kann nur zur Auflösung der SE führen.
Gründung einer Holding-Gesellschaft
Eine weitere Möglichkeit eine SE zu gründen ist die Bildung einer Holding – Gesellschaft. Dabei bleiben die Gesellschaften, welche eine Holding – Gesellschaft gründen, bestehen.
Hierfür muss ein Gründungsplan von den Leitungs- und Verwaltungsorganen erstellt werden, der den gleichen Anforderungen wie der Verschmelzungsplan entsprechen muss mit der zusätzlichen Auflage, dass die Gesellschaften, die die SE als Holding-Gesellschaft gründen wollen, ein Mindestprozentsatz der einzubringenden Aktien oder anderer Anteile, die mindestens 50 % der durch die Aktien verliehenen Stimmrechte beträgt, ausmachen.
Bildung von Tochterfirmen
Eine SE kann aber auch durch die Bildung von Tochterfirmen gegründet werden. Die Beteiligung der Gesellschaften richtet sich hierbei nach dem nationalen Recht einer Aktiengesellschaft.
Umwandlung einer bestehenden Aktiengesellschaft
Ebenfalls ist die Gründung durch Umwandlung der Gesellschaft möglich. Bei der Umwandlung einer Gesellschaft in eine SE ist zu beachten, dass der Sitz der Gesellschaft nicht in ein anderen Mitgliedstaat verlegt werden darf. Bei der Umwandlung muss ebenfalls ein Umwandlungsplan erstellt werden.
Über die jeweiligen Pläne hat die entsprechende Hauptversammlung, nachdem diese einen Monat lang offengelegt wurden zu beschließen.
Aufbau einer SE
Oberstes Organ der Aktiengesellschaft ist die Hauptversammlung der Aktionäre. Die Leitung der Gesellschaft erfolgt entweder durch einen Aufsichtsrat und ein Leitungsorgan als dualistisches System oder durch ein Verwaltungssystem als monistisches System.
Der Aufbau des dualistischen Systems
Bei dem dualistischen System führt das Leitungsorgan die Geschäfte in eigener Verantwortung. Hierbei kann mindestens ein Geschäftsführer auch die Geschäfte nach dem jeweiligen nationalen Recht für eine Aktiengesellschaft führen. Die Mitglieder des Leitungsorgans werden vom Aufsichtsrat bestellt.
Ausgeschlossen ist die Doppelbesetzung. Ein Mitglied des Leitungsorgan darf nicht zugleich Mitglied des Aufsichtsorgans sein. Nur wenn ein Posten im Leitungsorgan nicht besetzt ist, kann dieses durch ein Mitglied des Aufsichtsorgans wahrgenommen werden, das Amt als Mitglied des Aufsichtsorgans ruht indessen.
Der Aufsichtsrat überwacht die Geschäfte des Leitungsorgans und darf diese nicht selbst führen. Die Mitglieder des Aufsichtsrates werden von der Hauptversammlung bestellt. Aus ihrer Mitte wird ein Vorsitzender gewählt.
Das monistische System
Bei dem monistischem System leitet das Verwaltungsorgan die Geschäfte. Dabei kann mindestens ein Geschäftsführer die laufenden Geschäfte in eigener Verantwortung führen.
Es ist zu beachten, dass wenn die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in einer Richtlinie geregelt ist, das Verwaltungsorgan aus mindestens drei Mitgliedern bestehen muss. Die Mitglieder werden durch die Hauptversammlung bestellt. Aus dessen Mitte wird ein Vorsitzender gewählt.
Gemeinsame Regelungen
Für beide Systeme gilt, dass die Mitglieder spätestens alle sechs Jahre neu bestellt werden müssen, dabei können sie entsprechend der Satzung ein oder mehrmals gewählt werden. Die Mitglieder können auch juristischer Personen sein. Die Wahrnehmung der Befugnisse muss durch eine natürliche Person als Vertreter geschehen.
Die Hauptversammlung entscheidet über die jeweiligen Pläne, die der Gründung der SE zugrunde liegen und über Angelegenheiten, die ihr durch nationales Recht des Sitzstaates und aufgrund der Satzung übertragen wurde.
Mitbestimmung der Arbeitnehmer durch die Richtlinie 2001/86/EWG
Wie bereits erwähnt kann die SE erst in das Register des Mitgliedstaates in dem sie ihren Sitz hat, eingetragen werden, wenn eine Vereinbarung über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer getroffen wurde.
Nach der Offenlegung der jeweiligen der Gründungsform angepaßten Pläne werden die erforderlichen Verhandlungen mit den Arbeitnehmervertretern aufgenommen.
Hierzu wird ein besonderes Verhandlungsgremium gegründet, welches die Interessen der betroffenen Arbeitnehmern vertritt. Die Vereinbarung über die Beteiligung erfolgt schriftlich. Werden über die vorgegebenen Vorschriften keine Vereinbarungen getroffen, dann gelten die Auffangvorschriften im Anhang an die Richtlinie, welcher die Mindestregeln der Mitbestimmungen vorsieht und eingehalten werden müssen.
Nach der Auffangregel ist ein Vertretungsorgan, das sich aus den Arbeitnehmern der beteiligten Firmen zusammensetzt, zu bilden. Seine Mitglieder werden entsprechend der Arbeitnehmeranzahl der einzelnen beteiligten Gesellschaften gewählt.
Die Mindestregeln beziehen sich vor allem auf die Unterrichtung und auf die Anhörung der Arbeitnehmer.
Bei einer SE, die durch Umwandlung gegründet wurde, bleiben bereits bestehende Mitbestimmungsrechte erhalten.
Wurde die SE gegründet, haben die Arbeitnehmer das Recht, einen Teil des Aufsichts- und Verwaltungsorgans zu wählen. Die Anzahl dieser Mitglieder richtet sich nach dem höchsten Anteil von den beteiligten Gesellschaften.
Bestanden aber zuvor keine Mitbestimmungsvorschriften, dann ist auch die SE nicht verpflichtet, solche einzuführen.
Verlegung des SE -Sitzes
Die Verlegung ist nur durch einen Verlegungsbeschluss der Hauptversammlung mit zwei Drittel Mehrheit möglich. Dieser kann erst zwei Monate nach Offenlegung des Verlegungsplans erfolgen.
Weist die SE nach, dass alle Interessen der Gläubiger bezüglich der bestehenden Verbindlichkeiten entsprechend den Anforderungen der Vorschriften des Mitgliedstaates in dem die SE zuvor ihren Sitz hatte, geschützt sind, stellt die zuständige Behörde, die für die Eintragung der SE erforderliche Bescheinigung aus.
Mit Eintragung des neuen Sitzes ist die Sitzverlegung wirksam. Die Bekanntmachung der Verlegung der SE erfolgt nach den Regeln der Neueintragung einer SE.
RA & Abogado Karl H. Lincke und ref. jur. Salina Graband
Weiterführende Literatur:
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Wenz, Martin, 1993: Die Societas Europaea Analyse der geplanten Rechtsform und ihre Nutzungsmöglichkeiten für eine europäische Konzernunternehmung, Berlin: Duncker & Humbolt, 1993.
Herzig, Norbert / Griemla, Stefan, 2002: Steuerliche Aspekte der Europäischen Aktiengesellschaft / Societas Europaea, in: StuW 79 (2002), S. 55-77.
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