Die Marken der Europäischen Union besitzen bekanntlich einen einheitlichen Charakter und haben in der gesamten Union dieselben Auswirkungen (Artikel 1 der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Gemeinschaftsmarke).
Aus diesem Prinzip ergibt sich, dass die Markengerichte der Europäischen Union, welchen die entsprechende örtliche Zuständigkeit zugeschrieben wird, dafür zuständig sind, zu den in einem jeden Mitgliedsstaat begangenen Verletzungshandlungen gegen die Gemeinschaftsmarken Stellung zu nehmen (Art. 98.1 der angeführten Verordnung, in Verbindung mit Art. 97).
Somit sind die Markengerichte der Europäischen Union dafür zuständig, die Nutzung einer Marke, die eine eingetragene Marke der Europäischen Union verletzt, auf dem gesamten Gebiet der Gemeinschaft zu verbieten (Art. 102.1 der Verordnung).
Was geschieht nun jedoch in dem Fall, in dem das Gericht der Europäischen Union, das mit der Entscheidung in einem konkreten Fall beauftragt ist, zu dem Schluss kommt, dass der Gebrauch der Marke des Beklagten in einem Teil der Europäischen Union eine Verwechslungsgefahr hervorrufen kann, in einem anderen Teil jedoch nicht?
Diese Situation gab der Vorabentscheidungsfrage statt, die durch das Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Union vom 22. September 2016 (C-223/15) aufgelöst wurde.
Der Tatbestand war der folgende: Die deutsche Firma combit Software GmbH ist Inhaber mehrerer deutscher Marken und Marken der Europäischen Union, welche den Ausdruck „combit“ für IT-Produkte und Dienstleistungen schützen. Das israelische Unternehmen Commit business Solutions Ltd verkauft seinerseits unter der Bezeichnung „Commit“ Software über das Internet in verschiedenen Ländern (einschließlich zum Zeitpunkt der Nachfrage in Deutschland, wo die Kommerzialisierung durch eine Webseite auf Deutsch mit der Lieferung der erworbenen Software in das Land stattfand).
Die besagte deutsche Firma verklagte Commit Business Solutions, indem sie verlangte, dass ihm die Kommerzialisierung von Software mit der Marke „Commit“ in der gesamten Europäischen Union untersagt werde, und, subsidiär, dass sich jenes Verbot ausschließlich auf Deutschland erstrecke.
Das Landgericht Düsseldorf, das in seinem Status als Markengericht der Europäischen Union handelte, wies die Hauptforderung ab, gab aber der subsidiären Forderung statt.
Combit Software legte Berufung beim Oberlandesgericht Düsseldorf ein, welches zu dem Schluss kam, dass, wenn auch die deutschsprachigen Verbraucher durch den Gebrauch der Marke „Commit“ angesichts ihrer Ähnlichkeit mit „comit“ der Verwechslungsgefahr unterliegen, die englischsprachigen Verbraucher leicht zwischen den beiden Marken unterscheiden können, wenn man insbesondere beachtet, dass jegliche klangliche Ähnlichkeit für sie durch den konzeptuellen Unterschied neutralisiert wird (das englische Verb „to commit“ gegenüber der Anspielung von „com“ auf „computer“ und von „bit“ auf „Binärziffer“).
In Anbetracht dieser Situation erhob das entsprechende deutsche Berufungsgericht die folgenden Vorabentscheidungsfragen vor dem Gerichtshof der Europäischen Union:
“Welche Folgen hat es für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr einer Unionswortmarke, wenn aus Sicht des Durchschnittsverbrauchers eines Teils der Mitgliedstaaten die klangliche Ähnlichkeit der Unionsmarke mit einer als markenverletzend gerügten Bezeichnung durch einen Bedeutungsunterschied neutralisiert wird, aus der Sicht des Durchschnittsverbrauchers anderer Mitgliedstaaten jedoch nicht:
a) Ist für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr die Sicht des einen Teils oder die Sicht des anderen Teils oder die Sicht eines fiktiven Durchschnittsverbrauchers aller Mitgliedstaaten maßgeblich?
b) Ist die Verletzung der Unionsmarke für das gesamte Gebiet der Europäischen Union zu bejahen oder zu verneinen, wenn in nur einem Teil eine Verwechslungsgefahr besteht, oder ist dann zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten zu differenzieren?
Der Gerichtshof erachtete in besagtem Urteil, dass die Markengerichte der Europäischen Union (wenn sie die entsprechende örtliche Zuständigkeit gemäß Art. 97 der Verordnung (CE) Nr. 207/2009 besitzen) die Existenz einer Verletzung auf dem Gebiet eines jeglichen Mitgliedstaates der Europäischen Union anerkennen können, und dass, auch wenn die Existenz einer Verwechslungsgefahr in lediglich einem Teil der Europäischen Union das Gericht dazu bringen muss, die Existenz einer Verletzung der Unionsmarke zu erklären, wenn das Markengericht der Europäischen Union, um das es sich handelt, anerkennt, dass die Verwechslungsgefahr nur in einem Teil der Union stattfinden wird, jedoch nicht in einem anderen, es aus dem Bereich des im Urteil angeordneten Nutzungsverbots die Bereiche der Europäischen Union ausschließen muss, wo es die Entstehung eines Verwechslungsrisikos nicht vermutet. Der Gerichtshof ist vorsichtig dabei, zu verlangen, dass die Teile der Europäischen Union, auf die sich das Nutzungsverbot nicht bezieht, in dem Urteil akribisch bestimmt werden:
„Überdies muss der Teil der Union, für den das betreffende Unionsmarkengericht das Fehlen einer tatsächlichen oder möglichen Beeinträchtigung der Funktionen der Marke feststellt, von diesem Gericht genau bestimmt werden, damit dem gemäß Art. 102 der Verordnung Nr. 207/2009 ausgesprochenen Verbot der Benutzung des fraglichen Zeichens eindeutig zu entnehmen ist, welcher Teil des Unionsgebiets nicht von ihm erfasst wird.“
Im Folgenden sei die konkrete Antwort des Gerichtshofes auf die Vorabentscheidungsfrage des Oberlandesgerichtes Düsseldorf wiedergegeben:
„Art. 1 Abs. 2, Art. 9 Abs. 1 Buchst. b und Art. 102 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Unionsmarke sind dahin auszulegen, dass ein Unionsmarkengericht, wenn es feststellt, dass die Benutzung eines Zeichens in einem Teil des Gebiets der Europäischen Union zur Gefahr von Verwechslungen mit einer Unionsmarke führt, während in einem anderen Teil dieses Gebiets keine solche Gefahr besteht, zu dem Schluss kommen muss, dass eine Verletzung des durch die Marke verliehenen ausschließlichen Rechts vorliegt, und die Benutzung des Zeichens für das gesamte Gebiet der Europäischen Union mit Ausnahme des Teils, für den eine Verwechslungsgefahr verneint wurde, untersagen muss.“
Das Urteil wird wichtige Folgen für die juristische Praxis hinsichtlich der Marken der Europäischen Union haben. An erster Stelle ist voraussehbar, dass die Anwälte der wegen Verletzung von Unionsmarken Beklagten zu argumentieren und beweisen versuchen, dass zumindest in bestimmten Bereichen der Europäischen Union keine Verletzung aus sprachlichen oder andersartigen Gründen vorliegt. Folglich ist vorauszusehen, dass in der Klageerwiderung häufig subsidiäre Anträge gestellt werden, in denen bestimmte Bereiche der Europäischen Union aus der Reichweite der Verletzung ausgeschlossen werden. Und den Richtern wird es, zumindest, wenn die entsprechenden Anträge zum Teil bestehen, nicht genügen, zu beschließen, dass ein Verwechslungsrisiko bei Teilen der Verbraucher der Union besteht, um umfassende Unterlassungsanordnungen für ihr gesamtes Gebiet zu äußern, sondern sie werden eine detailliertere Analyse machen müssen, bei der sie die Situation der unterschiedlichen Gebiete der Europäischen Union betrachten.
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