Covid-19: Die Klauseln der höheren Gewalt und der Störung der Geschäftsgrundlage (Lat.: „rebus sic stantibus“)

Die Klauseln der höheren Gewalt und der Störung der Geschäftsgrundlage sind Rechtsfiguren, die eine Anpassung der Vertragsbedingungen ermöglichen.

Die Gesundheitskrise, die wir gegenwärtig weltweit als Folge der als Corona oder COVID-19 bekannten Pandemie erleben, führt zu einer kritischen Lage für weite Teil der in Spanien ansässigen Unternehmen. Neben weiteren, zahlreichen Problemen, sehen sie sich aufgrund der strikten Maßnahmen, die von der Regierung zur Bekämpfung des Coronavirus ergriffen wurden, unverschuldet zum Teil nicht in der Lage die vertraglichen Verpflichtungen angemessen zu erfüllen.

Unter normalen Umständen gilt allgemein, dass die Verträge so zu erfüllen sind, wie es vertraglich vereinbart worden ist, da die Vertragsbedingungen die Wirkung von Gesetzen zwischen den Parteien haben (unter anderem Artikel 1.091 und 1.258 des spanischen Bürgerlichen Gesetzbuches (Código Civil)).

Aufgrund der außergewöhnlichen Umstände, die wir erleben, können die Unternehmen sich grundsätzlich zweier, in der spanischen Rechtsordnung anerkannter, Rechtsfiguren bedienen, um:

  • Die Nichterfüllung des Vertrages zu rechtfertigen
  • Die Anpassung des Vertrages zu fordern
  • Oder gar die Auflösung des Vertrages zu verlangen, wenn dessen Sinn und Zweck vollständig entfallen ist.

Es handelt sich um die Klauseln der höheren Gewalt und der Störung der Geschäftsgrundlage.

Die Klausel der höheren Gewalt

Die Klausel der höheren Gewalt ist ausdrücklich in Artikel 1.105 des spanischen Bürgerlichen Gesetzbuches geregelt. Sie besteht im Wesentlichen aus einer Regelung, die die Nichterfüllung vertraglicher Pflichten in Situationen rechtfertigt, die unvorhersehbar sind, oder trotz ihrer Vorhersehbarkeit unvermeidbar waren. Die Klausel der höheren Gewalt schließt die Haftung der säumigen Partei in diesen Situationen aus.

Die Voraussetzungen, um den Haftungsausschluss aufgrund höherer Gewalt geltend machen zu können (und dadurch auch die Nichterfüllung des Vertrages) sind folgende:

  • Dass es sich um unvorhersehbare, oder trotz Vorhersehbarkeit unvermeidliche, unüberwindbare oder unaufhaltsame Ereignisse handelt
  • Die nicht vom Willen der säumigen Partei abhängen
  • Die die Erfüllung der vorgesehenen vertraglichen Verpflichtung unmöglich machen
  • Dass zwischen der Folge und dem auslösenden Ereignis eine hinreichender Ursachenzusammenhang besteht.

Allgemein gilt demnach, dass für die Anwendbarkeit der höheren Gewalt, diese die Erfüllung oder den Zweck des Vertrages objektiv unmöglich macht. Wenn zum Beispiel eine Industriefabrik in Folge der ergriffenen Regierungsmaßnahmen verpflichtet gewesen ist ihr Werk zu schließen und es ihr deshalb nicht möglich ist den Vertrag zu dem mit den Kunden zuvor vereinbarten Zeitpunkt zu erfüllen.

Die Klausel der Störung der Geschäftsgrundlage

Es besteht auch die Möglichkeit die Anwendbarkeit der sogenannten Klausel der Störung der Geschäftsgrundlage geltend zu machen. Wenngleich diese Klausel nicht ausdrücklich gesetzlich geregelt ist, wurde diese jedoch zweifelsfrei vom Obersten Gerichtshof (Tribunal Supremo) anerkannt (unter anderem in den kürzlich gefällten Urteilen 227/2015 vom 30. April 2015; 19/2019, vom 5. Januar 2019; 214/2019, vom 26. März 2019; 214/2019, vom 26. März 2019 und 455/2019 vom 18. Juli 2019). Angesichts dessen wurde ihr Anwendungsbereich herkömmlicherweise restriktiv ausgelegt.

Die Klausel der Störung der Geschäftsgrundlage besteht im Wesentlichen aus der Überprüfung und außerordentlichen Änderung der Umstände, die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses berücksichtigt worden sind, wenn:

  • Diese neuen Umstände unvorhersehbar waren
  • Eine ungleiche und erhebliche Störung des vertraglichen Gleichgewichts zwischen den Vertragspartnern erfolgt ist, die die Erfüllung des Vertrages für eine der Parteien erheblich erschwert hat.

Der Oberste Gerichtshof fordert, dass das Erschwernis oder die Unmöglichkeit der Erfüllung des wirtschaftlichen Zwecks des Vertrages endgültig eintritt. Wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, dann kann die Anpassung des Vertrages mit dem Ziel verlangt werden das vertragliche Gleichgewicht zwischen der Vertragsparteien wiederherzustellen oder gar die Vertragsauflösung, wenn die Aufrechterhaltung des Vertrages jeglichen Zweck verloren hat.

Zum Beispiel, wenn ein Einzelhändler seinen Laden aufgrund von Corona schließen musste, was einen vollkommenen Stillstand seiner wirtschaftlichen Tätigkeit verursacht hat und er andererseits dennoch weiter die Miete für den Laden auf Grundlage des bestehenden Mietvertrages zahlen muss. Dies stellt ein Ungleichgewicht im Vergleich zu der ursprünglichen Lage dar, von der beide Parteien ausgegangen waren.

Im Lichte des zuvor Gesagten, ist es offenkundig, dass die Corona-Pandemie (als solche von der WHO deklariert) ein vollkommen unvorhersehbares und unvermeidbares Ereignis ist, an dem die Vertragsparteien keinerlei Schuld tragen. Allgemein kann dies nicht als allgemeines oder natürliches Vertragsrisiko angesehen werden, daher ist es in vielen Fällen möglich, dass Unternehmen von den zuvor erläuterten Klauseln profitieren können und, wenn deren Voraussetzungen vorliegen, eine Neubewertung der vertraglich vereinbarten Bedingungen unter Berücksichtigung der außergewöhnlichen Umstände verlangen können.

Um nun die Klauseln der höheren Gewalt und der Störung der Geschäftsgrundlage geltend machen zu können, bedarf es einer Einzelfallprüfung, die gleichermaßen von dem abhängt, was in den Klauseln des jeweiligen Vertrages ausdrücklich vereinbart worden ist. Auf die gleiche Weise sollte die säumige Partei dringend das Vorliegen der Voraussetzungen prüfen, die für die beiden Rechtsfiguren aufgestellt wurden, da deren Anwendung nicht automatisch erfolgt.

Wenn Sie weitere Fragen zum dieses Thema haben,

Dieser Beitrag is nicht als Rechtsberatung zu verstehen

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