Vor einer unionsrechtlichen Regelung war es nahezu unmöglich, ein Urteil eines Mitgliedstaates in einem anderen Mitgliedstaat durchzusetzen. Nunmehr enthält die Verordnung Nr. 44/2001 vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen Regeln über die Anerkennung mitgliedstaatlicher Urteile in anderen Mitgliedstaaten. Überdies hat die Verordnung 1215/2012 den Prozess der Vollstreckung mitgliedstaatlicher Urteile weiter vereinfacht. Dennoch bestehen weiterhin Möglichkeiten, die Vollstreckung eines mitgliedstaatlichen Urteils zu verweigern.
Hinsichtlich der Durchsetzung von Urteilen eines mitgliedstaatlichen Gerichts wendet Spanien die Verordnungen 44/2001 und 1215/2012 an.
Anforderungen des spanischen Rechts
Das spanische Recht verlangt, dass alle betroffenen Parteien vor der Vollstreckung eines Urteils über dieses in Kenntnis gesetzt werden. Weiterhin müssen sämtliche relevanten Dokumente dem spanischen Gericht in spanischer Übersetzung vorgelegt werden. Zudem muss nach Art. 549 der spanischen Zivilprozessordnung die klagende Partei eine kurze Erläuterung der Tatsachen und rechtlichen Gesichtspunkte ihrer Klage beim spanischen Gericht einreichen.
Notwendigkeit einer Exequatur
Die Verordnung 44/2001 legt verschiedene Regeln fest, wie mit Urteilen aus anderen EU-Mitgliedstaaten umzugehen ist. Der letzte Teil der Verordnung legt fest, dass EU-Mitgliedstaaten ein Urteil, welches in einem anderen EU-Mitgliedstaat erlassen wurde, anerkennen müssen. Überdies enthält diese Verordnung die Notwendigkeit einer Exequatur.
Hierbei handelt es sich um das Verfahren, mit der die Vollstreckbarkeit eines Urteils eines Gerichts aus einem anderen Mitgliedstaat erklärt wird. Dabei behandelt diese Verordnung mitnichten jedes Rechtsgebiet, wie z.B. Fragen rund um Zölle, Umsätze oder Verwaltungsangelegenheiten. Auch folgende Gebiete sind nicht umfasst: Der Status oder die Rechtsfähigkeit von natürlichen Personen, familien- und erbrechtliche Fragen, Insolvenzen, soziale Sicherheit und Schiedsverfahren. Weitere Ausnahmen beziehen sich auf die öffentliche Ordnung, Unvereinbarkeit mit früheren Urteilen und, besonders hervorzuheben, solche Urteile, bei denen dem Verurteilten keine angemessene Verteidigungsmöglichkeit zustand.
Brüssel Ibis-Verordnung
Die Verordnung 1215/2012 (auch bekannt unter dem Namen Brüssel Ibis-Verordnung) hat nunmehr die oben genannte Verordnung modifiziert, indem sie für Vereinfachung gesorgt hat. Die oben dargestellten Kernpunkte sind jedoch unverändert geblieben und bleiben daher in Kraft. Der Zweck dieser neuen Verordnung besteht darin, den freien Umlauf gerichtlicher Entscheidungen innerhalb der Union zu erleichtern und schnellen Zugang zu Gerichten zu gewährleisten. Vor dem Inkrafttreten dieser Verordnung war es notwendig, einen entsprechenden Antrag zu stellen, um das Urteil eines Mitgliedstaates in einem anderen Mitgliedstaat anerkennen zu lassen. Nunmehr ist das Erfordernis einer Exequatur abgeschafft. Art. 39 der Verordnung 1215/2012 bestimmt, dass eine vollstreckbare gerichtliche Entscheidung, welche in einem Mitgliedstaat ergangen ist, ohne den Zwischenschritt einer Vollstreckbarerklärung in den anderen Mitgliedstaaten durchsetzbar ist.
Formerfordernis für Durchsetzung
Nichtsdestotrotz existiert weiterhin eine Formerfordernis für die Durchsetzung der gerichtlichen Entscheidung. Art. 42 Abs. 1 der Brüssel Ibis-Verordnung bestimmt, dass für den Fall, dass eine in einem Mitgliedstaat ergangene Entscheidung, die in einem anderen Mitgliedstaat vollstreckt werden soll, der Antragsteller der zuständigen Vollstreckungsbehörde Folgendes vorzulegen hat:
- eine Ausfertigung der betreffenden gerichtlichen Entscheidung, welche die für ihre Beweiskraft erforderlichen Voraussetzungen erfüllt
- eine Bescheinigung, mit der bestätigt wird, dass die Entscheidung vollstreckbar ist, und die einen Auszug aus der Entscheidung sowie gegebenenfalls relevante Angaben zu den erstattungsfähigen Kosten des Verfahrens und der Berechnung der Zinsen enthält.
Verweigerung der Durchsetzung eines Urteils
Überdies enthält die Verordnung 1215/2012 nach wie vor Möglichkeiten, die Durchsetzung eines Urteils zu verweigern. Dies ist insbesondere bei Verstößen gegen die öffentliche Ordnung (ordre public) der Fall sowie in Konstellationen, in denen dem Beklagten, der sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat, das verfahrenseinleitende Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück nicht so rechtzeitig und in einer Weise zugestellt worden ist, dass er sich verteidigen konnte sowie wenn die Entscheidung mit einer anderen Entscheidung unvereinbar ist, die zwischen denselben Parteien im ersuchten Mitgliedstaat ergangen ist. Es gibt weitere Ablehnungsgründe, jedoch handelt es sich bei den erwähnten um die wichtigsten.
Justine Matthys & Karl H. Lincke
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