Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände
Sowohl das Recht zur Bildung der Gewerkschaften (sindicatos) als auch der Arbeitgeberverbände (asociaciones empresariales) ist in der spanischen Verfassung abgesichert. Lange Zeit war strittig, ob das Recht zur Bildung der Arbeitgeberverbände aus der Gewerkschaftsfreiheit (im Spanischen hat das Wort sindicato eine weitere Bedeutung als das deutsche Wort Gewerkschaft) oder der Vereinigungsfreiheit abgeleitet werden kann. Das Verfassungsgericht (Tribunal Constitucional) hat die Gewerkschaftsfreiheit eng ausgelegt und die Arbeitgeberverbände daraus ausgeschlossen. Das kann zu einer Diskriminierung der Arbeitgeberverbände führen, so wird z. B. den Arbeitgeberverbänden das Recht auf Teilnahme an der Haushaltskommission nicht anerkannt.
Die Gewerkschaftsfreiheit können nicht nur die Arbeitnehmer mit einem gültigen Arbeitsvertrag, sondern auch Arbeitnehmer, die wegen der Arbeitslosigkeit, Pensionierung oder beruflichen Untauglichkeit in keinem Arbeitsverhältnis stehen, genießen. Das Recht zur Bildung der Gewerkschaft dehnt sich auch auf die Berufe mit einer gesetzlichen Pflicht zur Mitgliedschaft in einer Kammer aus.
Tarifverträge/Kollektivverträge
In Spanien versteht man unter Tarifverträgen (convenios colectivos) jede schriftliche Vereinbarung, die im Zusammenhang mit Arbeitskonditionen stehen und zwischen Arbeitgeber, Arbeitgebergruppe oder Arbeitgeberorganisation/en und einer bzw. meherer Arbeitnehmervertretungen geschlossen wurden.
Es gibt im Wesentlichen zwei Kategorien von Tarifverträgen: Diejenigen die sich an den gesetzlichen Vorgaben des Arbeitsvertragsgesetzes (Estatuto de los Trabajadores, ET) orientieren (convenios colectivos estatuarios) und den zwischen den Parteien verhandelten Tarifverträgen ohne normative Bindung (convenios colectivos extraestatuarios).
Grundsätzlich können Tarifverträge auf Personen (es kann eine bestimmte Arbeitnehmergruppe ausgegliedert werden) und auf territoriale Gegenden begrenzt werden. Der Tarifvertrag gemäß dem ET bezieht sich zwar auf alle Arbeitnehmer, auch auf die, die keinen Vertreter in den Verhandlungen mit dem Arbeitgeber gehabt haben, aber die rein schuldrechtlichen Klauseln des Tarifvertrages gelten nur für die Vertragsparteien.
Die gesetzlichen Vorschriften für Tarifverträge erstrecken sich auch auf Rahmenverträge und Verträge mit einem konkreten Regelungsobjekt.
Arbeitnehmervertretung und Mitbestimmung im Betrieb
Die Vertretung der Arbeitnehmer im Betrieb (representación de los trabajadores en la empresa) kennt zwei Alternativen:
- Durch eine persönliche Vertretung (representación unitaria)
- Durch die Gewerkschaft (representación sindical)
Im Fall der persönlichen Vertretung bestimmt die Zahl der Arbeitnehmer im Betrieb, wie sie repräsentiert werden: Entweder durch die Betriebssprecher (wenn im Unternehmen mehr als 10 aber weniger als 50 Arbeitnehmer tätig sind) oder durch den Betriebsausschuss (wenn die Zahl 50 Arbeitnehmer übersteigt). Im zweiten Fall sind die Arbeitnehmer als Mitglieder der Gewerkschaft an dem Entscheidungsprozess im Unternehmen vertreten.
Persönliche Vertretung
Die Zuständigkeit der persönlichen Vertreter umfasst vier Hauptbereiche:
- Recht auf Benachrichtigung über die wirtschaftliche Lage des Unternehmens, den Gesundheitsschutz und alle abgeschlossenen Verträge
- Aufsicht und Kontrolle über die Einhaltung der Vorschriften des Arbeitsrechts etc. und die Erfüllung der Verträge
- Verhandlungen, vor allem der Abschluss der Tarifverträge und anderer Vereinbarungen mit kollektivem Charakter
- Teilnahme und Zusammenarbeit, besonders in Bezug auf die sozialen Verpflichtungen des Unternehmens
Die Vertreter der Arbeitnehmer genießen bestimmte gesetzliche Mindestgarantien. Die meisten von ihnen richten sich gegen Disziplinarsanktionen. Es ist verboten, die Vertreter gerade wegen der Ausübung ihrer Repräsentationsfunktionen zu bestrafen oder zu entlassen. Aber auch, wenn man die Arbeitnehmervertreter für Delikte ahnden will, die keine Verbindung zu ihrer Funktion aufweisen, ist im Falle des Bestreitens durch den Arbeitnehmervertreter ein gerichtliches Verfahren notwendig. Außerdem haben die Arbeitnehmervertreter ein Vorzugsrecht auf Wiederbeschäftigung im Falle von Massenentlassungen, Wegfall von Arbeitsplätzen oder vorübergehenden Entlassungen. Diese Rechte erlöschen nach der Niederlegung des Mandats.
Vertretung durch die Gewerkschaften
Das spanische Gesetz ist sehr großzügig, was das Recht der Arbeitnehmer zur Bildung von Gewerkschaftsgruppen angeht: Es genügt die juristische Persönlichkeit und die bloße Tätigkeitsentfaltung des Unternehmens, um die Voraussetzungen für die Gründung der Gewerkschaft zu erfüllen. Alle Gewerkschaftsgruppen haben die gleichen Mindestrechte:
- Die Versammlungen einzuberaumen, Gebühren zu erheben, Information über die Gewerkschaft und ihre Ziele zu verteilen
- Auskunft von den obersten Gewerkschaftsorganen zu erhalten
- Kandidaturen für Ämter im Gewerkschaftsbund anzumelden
- Streiks durchzuführen und
- Kollektive Verhandlungen mit einer beschränkten Wirkung zu führen
Außerdem genießen die Gewerkschaftsgruppen, die zu den großen Gewerkschaften mit hoher Repräsentanzquote gehören oder die einen Vertreter im Betriebsrat haben, zusätzliche Rechte auf:
- Unbeschränkte kollektive Verhandlungen
- Ein schwarzes Brett um die Bekanntmachung der Gewerkschaftsnachrichten anzubringen
- Eie Benutzung eines entsprechenden Platzes für die Ausübung ihrer Tätigkeiten, wenn die Zahl der Arbeitnehmer im Unternehmen 250 überschreitet
Bei der Erfüllung einer der folgenden Voraussetzungen können die Gewerkschaftsgruppen die Vertreter mit umfassenden Befugnissen wählen:
- Das Unternehmen beschäftigt mehr als 250 Arbeitnehmer. Der Charakter der Beschäftigung (Teilzeit oder befristet) spielt dabei keine Rolle
- Mindestens einer der Mitglieder der entsprechenden Gruppe ist gleichzeitig ein Vertreter im Betriebsrat
Die Vertretungsmacht der Repräsentanten der Gruppe darf über die Befugnisgrenzen der Betriebsräte nicht hinausgehen. Die Gewerkschaftsvertreter genießen die gleichen Mindestgarantien wie die persönlichen Vertreter.
Mitbestimmungsrechte bei der betriebsbedingten Kündigung
Obwohl das spanische Gesetz keine expliziten Mitbestimmungsrechte der Arbeitnehmer kennt (es besteht sogar kein normativer Begriff dafür), finden sich die Mitbestimmungsrechte auf indirekte Weise in speziellen Regelungen z. B. über die betriebsbedingte Kündigung. Nach dem spanischen Arbeitsgesetz gilt eine Kündigung als betriebsbedingt, wenn sie aus finanziellen, technischen, organisatorischen oder produktionsbezogenen Gründen erfolgt. Sie gilt ferner, wenn innerhalb eines Zeitraums von neunzig Tagen mindestens
- 10 Arbeitnehmer in Unternehmen mit weniger als 100 Arbeitnehmern
- 10% der Belegschaft eines Unternehmens bei Unternehmen mit 100 bis 300 Arbeitnehmern
- 30 Arbeitnehmer bei Unternehmen mit über 300 Arbeitnehmern und
- Alle Arbeitnehmer bei Unternehmen mit mindestens fünf Arbeitnehmern gekündigt werden
Es muss das folgende Verfahren eingehalten werden: Betriebsbedingte Kündigungen dürfen nur ausgesprochen werden, wenn die Arbeitsämter ein besonderes «Arbeitsregulierungsverfahren» (Expediente de Regulacion de Empleo, im folgenden ERE) genehmigt haben. Das Verfahren beginnt mit der Mitteilung des Arbeitgebers an die Arbeitnehmervertreter der beabsichtigten betriebsbedingten Kündigungen. Es finden Beratungen statt, wobei diese nicht länger als einen Monat andauern. Die Beratungen müssen von den Parteien ernstlich geführt werden. Eine Einigung über die Vorschläge des Arbeitgebers muss jedoch nicht erzielt werden. Wird eine Einigung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmervertretern erzielt, wird diese den Arbeitsämtern zur Genehmigung vorgelegt. Kommen die Parteien bis zum Ende der Beratungszeit zu keiner Einigung, werden die Arbeitsämter informiert, dass der Arbeitgeber die betriebsbedingten Kündigungen aussprechen möchte. Die Arbeitsämter entscheiden dann, ob die vom Arbeitgeber vorgesehenen Maßnahmen ausreichend sind. Halten die Arbeitsämter den Ausspruch der betriebsbedingten Kündigungen durch den Arbeitgeber nicht für notwendig, wird das ERE verweigert, und der Arbeitgeber kann die geplanten betriebsbedingten Kündigungen nicht vornehmen. Haben die Arbeitsämter die erforderlichen betriebsbedingten Kündigungen genehmigt, kann der Arbeitgeber diese aussprechen. Arbeitnehmer, die betriebsbedingt entlassen werden, erhalten für jedes volle Beschäftigungsjahr eine gesetzlich festgelegte Entschädigung für betriebsbedingte Kündigung in Höhe des Gehaltes für 20 Werk- oder Arbeitstage bis zu einem Höchstbetrag von 12 Monatsgehältern. Eine zwischen den Parteien vereinbarte höhere Entschädigung geht dem gesetzlich vorgesehenen Betrag vor.
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