Verfahrensrechtliche Grundsätze
Um die wirtschaftliche Ungleichheit des Arbeitnehmers und Arbeitgebers in Spanien auszugleichen, sind im arbeitsrechtlichen Verfahren folgende Prinzipien verankert:
- Suche nach der materiellen Wahrheit: Der Richter ist zum aktiven Handeln verpflichtet, um den tatsächlichen Sachverhalt festzustellen. Jedoch darf auch hier das prozessuale Gleichgewicht nicht verletzt werden;
- Schnelligkeit bedeutet, dass das Verfahren vereinfacht wird, unter anderem durch die Bestimmung kurzer Fristen;
- Prozesskonzentration gewährt der Partei das Recht auf die Durchführung mehrerer Prozesshandlungen in einem Verfahrensabschnitt.
Anwendungsbereich
Der Anwendungsbereich der Sondervorschriften für das Verfahren in Arbeitssachen ist sehr weit gefasst und beinhaltet 3 große Bereiche:
- Ansprüche, die aus den sozialen Arbeitsverhältnissen entstanden sind, egal ob sie einen individuellen oder kollektiven Charakter haben (so z. B. auch die Arbeit aus Freundschaft);
- Beschwerden in Sachen der Sozialversicherung und
- Klagen gegen den Staat in Fragen der Arbeitsgesetzgebung.
Zwingendes Güteverfahren
Das spanische Recht sieht in allen arbeitsrechtlichen Streitigkeiten ein zwingendes Schlichtungsverfahren vor. Das Gesetz enthält einzelne Ausnahmen zu diesem Grundsatz z. B. bei Klagen aus dem Sozialversicherungsrecht, auf Urlaubsanspruch u. Ä. Das Schlichtungsverfahren wird entweder von der Schlichtungskommission (Servicio de Mediación) oder von einem Organ der autonomen Region durchgeführt. Außerdem können in den Tarifverträgen andere kompetente Institutionen bestimmt werden. Die Registrierung des Antrags in der entsprechenden Schlichtungsinstitution unterbricht die Verjährung der geltend gemachten Ansprüche. Wenn der Kläger vor der Schlichtungskommission nicht erscheint, dann wird sein Antrag zurückgewiesen. Die Abwesenheit des Beklagten hat zur Folge, dass die Voraussetzungen für die Zulassung der Klage erfüllt sind. Die im Schlichtungsverfahren erreichte Vereinbarung kann von beiden Seiten oder von einem Dritten mit begründetem Interesse innerhalb von 30 Tagen nach dem Vereinbarungsdatum angefochten werden. Die Vereinbarung hat die gleiche rechtliche Wirkung wie ein gerichtliches Urteil.
Zwingendes Beschwerdeverfahren
Das Gesetz fordert die Durchführung des Beschwerdeverfahrens, wenn die Klage sich gegen eine Verwaltungsinstitution (den Staat, autonome Region, Selbstverwaltung etc.) richtet. Das gleiche gilt für die Fälle, wenn die Verwaltungsinstitutionen im Prozess als dritte Partei auftreten könnten. Einige Klagen (in den Wahl-, Urlaubsfragen etc.) sind aus diesem Verfahren ausgenommen. Die betroffene Behörde muss innerhalb von einem Monat nach der Einreichung der Beschwerde eine Stellungnahme geben. Wenn die Behörde diese Frist versäumt, kann binnen zwei Monaten die Klage vor dem Gericht erhoben werden. Die Klage darf keine wesentlichen Unterschiede zum Inhalt der Beschwerde aufweisen. Auch das Beschwerdeverfahren unterbricht die Verjährungsfrist der Klage.
Schiedsgericht
Die Parteien können vereinbaren, dass die Streitigkeiten aus dem Vertrag in einem Schiedsgericht geschlichtet werden. Jedoch schränkt das Gesetz die Privatautonomie hier ein und sieht folgende Fälle vor, in denen das ordentliche Gerichtsverfahren nicht ausgeschlossen werden kann: Streitigkeiten über die Anwendung oder Interpretation der Tarifverträge, über die Wahlen, über die Entscheidungen der Paritätskommission oder die Rechtmäßigkeit der Arbeitsanordnungen.
Vereinbarung über die außergerichtliche Streitbeilegung der Arbeitskonflikte II
Die Vereinbarung zur außergerichtlichen Streitbeilegung der Arbeitskonflikte II (acuerdo sobre solución extrajudicial de conflictos laborales II, ASEC II) entwickelt das in der ersten Vereinbarung (ASEC I) vorgesehene Verfahren für die Lösung der arbeitsrechtlichen Streitigkeiten weiter: die Mediation und das Schiedsgericht. ASEC II ist für alle Unternehmen und Wirtschaftsbranchen bindend, deren jeweilige Vertreter der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände dieser Vereinbarung zugestimmt haben. ASEC II hat die gleiche rechtliche Wirkung wie ein Tarifvertrag. ASEC II war vom 27. Februar 2001 bis zum 31. Dezember 2004 gültig. Nach diesem Datum verlängerte sich ASEC II automatisch für weitere 5 Jahre, da keine von den beiden Parteien die Vereinbarung 6 Monate vor der Beendigung der Frist gekündigt hat. Die in ASEC II bestimmten Lösungen der Arbeitskonflikte umfassen folgende Fälle:
- Streitigkeiten über die Auslegung und Anwendung der Tarifverträge;
- Konflikte, die wegen der Diskrepanz der Inhalte des Tarifvertrages und eines anderen Kollektivvertrages entstanden sind und wenn ein Grund für die Annahme besteht, dass die Verhandlungen binnen 5 Monaten keinen Erfolg haben werden;
- Konflikte, die einen Streikaufruf provozieren könnten und
- Streitigkeit während der Beratungen über die Versetzung der Arbeitnehmer, wesentliche Veränderungen der Arbeitsbedingungen, Massenentlassung usw.
Die Konflikte über die Sozialversicherung oder Streitigkeiten, in denen eine der Seiten der Staat, Gemeinden oder autonome Regionen sind, werden aus dem Anwendungsbereich der ASEC II ausgenommen.
Das Vermittlungsverfahren ist immer obligatorisch, wenn eine der Parteien die Schlichtung fordert. Die Einleitung des Vermittlungsverfahrens verhindert sowohl den Streikaufruf bzw. die Aussperrung durch den Arbeitgeber als auch die Aufnahme eines Gerichts- oder Verwaltungsweges. Folgende Personen können um die Vermittlung bitten:
- Personen, die zur Klageerhebung vor Gericht berechtigt sind;
- Die Streikkommission oder der vom Streik betroffene Arbeitgeber und
- Arbeitgeber und Vertreter der Arbeitnehmer in der Beratungsperiode.
Die Schlichtung wird von einer Einmann- oder kollegialen Institution durchgeführt. Der Antrag auf das Schlichtungsverfahren muss schriftlich an die SIMA (Servicio interconfederal de mediación y arbitraje – zwischengewerkschaftlicher Vermittlungs- und Schiedsgerichtsdienst) gerichtet werden. Das Vermittlungsverfahren darf nicht länger als 10 Tage dauern. Spätestens nach dem Ablauf der 10 Tage Frist muss der Vermittler seine Vorschläge den Parteien bekannt geben. Wenn eine der Seiten mit den Vorschlägen nicht einverstanden ist, haben sie keine Wirkung.
Das Schiedsgerichtsverfahren ist nur dann möglich, wenn beide Seiten dem explizit zugestimmt haben. Nur Personen, die das Recht auf Beantragung des Vermittlungsverfahrens haben, dürfen Klage vor dem Schiedsgericht erheben. Die Parteien können einen unparteiischen Experten als Schiedsrichter aussuchen. Auf ihren Wunsch erteilt die SIMA ihnen eine eigene Liste der möglichen Schiedsrichter. Wenn die Parteien sich binnen 3 Tagen über die Person des Schiedsrichters nicht einigen können, streichen sie aus der Liste der SIMA alle Kandidaturen aus, bis nur einer übrig bleibt. Beiden Seiten wird das Recht auf Anwesenheit während des Prozesses gewährt. Der begründete Schiedsspruch muss maximal in 10 Tagen nach der Ernennung des Schiedsrichters geschrieben werden. Ausnahmsweise darf der Richter diese Frist bis auf 25 Tage verlängern. Die Entscheidung des Schiedsrichters schließt jede Klage vor einem ordentlichen Gericht und den Streik aus.
Das erstinstanzliche Verfahren
Zuständig in der ersten Instanz ist das Sozialgericht (Juzgado de lo Social) der jeweiligen Provinz. Der Richter muss am Anfang des Verfahrens versuchen, beide Seiten zu vergleichen. Als Folge des Grundsatzes der Suche nach der materiellen Wahrheit ist der Richter berechtigt, die Zeugenvernehmung am Arbeitsort anzuordnen oder auf eigene Initiative Zeugen zu vernehmen, die von den Parteien nicht benannt wurden. Das Urteil muss binnen 5 Tagen nach Beendigung des Verfahrens gefällt und veröffentlicht werden.
Das Berufungsverfahren
Die unterliegende Partei kann gegen das erstinstanzliche Urteil innerhalb von 5 Tagen nach der Urteilszustellung Berufung (apelación) einlegen. Im Berufungsverfahren gelten im Wesentlichen dieselben prozessualen Vorschriften wie im erstinstanzlichen Verfahren.
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